Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland
Am 12. November 1918 gab der Rat der Volksbeauftragten mit Gesetzeskraft bekannt: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“. Das Frauenwahlrecht, von der SPD bereits seit 1891 im Parteiprogramm gefordert, wurde damit endlich Realität in Deutschland.
Ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung.
Die erste Wahl für und mit Frauen in Deutschland
Am 19. Januar 1919 fand die Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt – die erste Gelegenheit für Frauen in ganz Deutschland, ihr aktives und passives Wahlrecht zu nutzen. Und sie nutzten es: 78% betrug die Wahlbeteiligung unter den Frauen, 300 Frauen kandidierten für die Nationalversammlung. Unter den 423 Abgeordneten waren schließlich 37 Frauen – die meisten davon in der SPD-Fraktion.
In Baden und Würtemberg gab es in den Wochen davor bereits Landtagswahlen.
Die erste Rede einer Frau in der Nationalversammlung
Als erste Frau sprach die Sozialdemokratin Marie Juchacz am 19. Februar 1919 in der Nationalversammlung. Sie war sich der Bedeutung dieser ersten Rede offensichtlich bewusst, als sie begann:
„Meine Herren und Damen! Es ist das erstemal, daß in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, daß es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat. Die Frauen besitzen heute das ihnen zustehende Recht der Staatsbürgerinnen.“
Ohne falsche Bescheidenheit betont sie noch einmal die Selbstverständlichkeit, mit der in einer Demokratie auch Frauen das Wahlrecht zusteht:
„Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, daß wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist. […]Die Männer, die dem weiblichen Teil der deutschen Bevölkerung das bisher zu Unrecht vorenthaltene Staatsbürgerrecht gegeben haben, haben damit eine für jeden gerecht denkenden Menschen, auch für jeden Demokraten selbstverständliche Pflicht erfüllt.“
Wichtig ist ihr auch, noch einmal zu betonen, wer diese Ungerechtigkeit beendet hat:
„Unsere Pflicht aber ist es, hier auszusprechen, was für immer in den Annalen der Geschichte festgehalten werden wird, daß es die erste sozialdemokratische Regierung gewesen ist, die ein Ende gemacht hat mit der politischen Unmündigkeit der deutschen Frau.“
100 Jahre später
In den vergangenen 100 Jahren hat sich in Sachen Gleichberechtigung vieles getan – viele Fortschritte, aber immer wieder auch Rückschritte.
Das Wahlrecht für Frauen wird heute als die Selbstverständlichkeit wahrgenommen, die es in einer Demokratie ist. Und trotzdem sind Frauen in deutschen Parlamenten unterrepräsentiert. Frauen werden im Schnitt schlechter bezahlt als Männer und die Debatten der letzten Jahre (#MeToo, „Nein heißt nein“, #aufschrei) zeigen, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt im Alltag vieler Frauen noch immer eine große Rolle spielen.
Viel erreicht – noch viel zu tun.
Zum Weiterlesen
Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen: Vom Frauenwahlrecht zur Parität.
150 Jahre SPD: Aus Frauen werden Staatsbürgerinnen.
SPD-Bundestagsfraktion: 100 Jahre Frauenwahlrecht – Neue Zeiten. Neue Ideen.
SPD: Starke Stimmen für Demokratie
Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste: Einführung des Frauenwahlrechts am 12. November 1918
Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V.: 100 Jahre Frauenwahlrecht
Reichstagsprotokolle: Sitzung am 19. Februar 1919 mit Rede von Marie Juchacz
Bundeszentrale für politische Bildung: Links zum Frauenwahlrecht